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Warum Trauer nicht nur mit Tod und Sterben zu tun hat
Wer über Trauer spricht, thematisiert meistens alles um den Tod herum; alles was mit endgültigem Ende, Sterben, schwerer Krankheit zusammenhängt. Doch was ist Trauer überhaupt? Was kann sie? Wozu brauche ich sie? Und wozu dient sie mir?
Trauern ist eine Fähigkeit. Sie ist die Heilungs- und Ordnungsfähigkeit der Seele und höchst bemerkenswert. So wie der Körper Selbstheilungskräfte besitzt, die immer wieder und ständig damit beschäftigt sind, in Ordnung zu bringen, unser Leben und Überleben zu schützten und zu gewährleisten, tut dies auch die Seele. Trauer ist also etwas Gutes, Natürliches und überaus Wichtiges.
Oft werden Gefühle wie Wut, Zorn, Traurigkeit, Gefühllosigkeit, Ängste und Handlungen, nicht als Trauer erkannt und als solche identifiziert. Das liegt wohl daran, weil sie meist ausschließlich mit Tod und Sterben in Zusammenhang gebracht werden. Sie ist aber, meiner Erfahrung nach, eine natürliche Seelen-Reaktion auf jeden Verlust im Leben, groß oder klein und einmal mehr, einmal weniger aktiv, wie mein Immunsystem.
Trauer bewegt sich meist in abwechselnden und wiederkehrenden Phasen. Wie sie verläuft und sich äußert, hängt von so vielen Faktoren ab, dass man sie als höchstpersönlich, unvergleichbar und individuell bezeichnen und sie auch so behandeln muss. Das macht es wirklich schwer mit ihr umzugehen und stürzt die meisten Menschen in eine große Hilflosigkeit und Ohnmacht.
Darüber hinaus ist sie besonders unangenehm und schmerzhaft und daher schwer auszuhalten. In der Hoffnung dem Schmerz und der Überforderung zu entkommen, wird sie in der Regel gerne vermieden, unterbrochen und umgangen. Ein nachvollziehbarer Wunsch. Ein verständlicher Versuch.
Doch man entkommt der Trauer leider nicht. Wunden müssen behandelt werden, sonst erkrankt die Seele. Man kann sie also bestenfalls in ihrem Verlauf unterstützen und Schmerz lindern, – und da gibt es viele Möglichkeiten, sehr viele sogar.
Manche Verletzungen heilen tatsächlich ganz. Andere Wunden hinterlassen Narben und auch Behinderungen. Es gibt auch solche, die nie ganz schließen und blutend zurückbleiben, auch das muss erwähnt werden. Doch der Mensch braucht Trauer, um trotz der erlebten Verluste und trotz der erlittenen Wunden und Schmerzen wieder ein lebendiges, bejahendes Leben finden und empfinden zu können.
Trauer macht nichts ungeschehen, doch neu. Sie macht nicht unversehrt, aber sie hilft dem Betroffenen die innere Totenstarre, Lebensverweigerung und -hemmung zu lösen und wieder aufzustehen. Wer sich ihr zuwendet, sie durchlebt, reanimiert das eigene innere Vermögen und Können sich dem Leben wieder zu öffnen, sich ihm wieder zuzuwenden, wieder JA zum Leben zu sagen.
Trauer dient also dem Leben selbst!